Urteile / Presse

Regresse bei Hausbesuchen Abrechnungsfalle GOP 01415

Immer mehr Ärzte weigern sich Hausbesuche durchzuführen. Die Regressgefahr lässt sie davon Abstand nehmen. Im Gegenzug steigt die Zahl der Patienten, die dringend auf Hausbesuche angewiesen sind. Geschuldet ist dies dem demografischen Wandel. Hausärzte, die sich ihren Patienten verpflichtet fühlen und Haus- bzw. Heimbesuche durchführen, werden abgestraft. Unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit werden ärztliche Leistungen geprüft, um die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung im Solidarsystem der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Die Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo von vornherein überlasteten Leistungserbringern abverlangt wird, dass diese noch zusätzlich Routinebesuche bei hochbetagten, multimorbiden und mental eingeschränkten Patienten durchführen und gleichzeitig unter der Prämisse der Wirtschaftlichkeit verlangt, dass diese Besuche, selbst wenn sie angefordert sind, als einfacher Hausbesuch nach GOP 01410 abgerechnet werden.

Dabei verkennen die Prüfgremien, dass Heimbewohner einen Anspruch auf die notwendige, sachgerechte Behandlung haben. Dies inkludiert auch Hausbesuche. Die Entscheidung, ob ein dringender Besuch erforderlich ist, ist eine Einzelfallentscheidung, die nur der behandelnde Arzt und nicht die Prüfgremien treffen können. Abzustellen ist dabei nicht auf eine ex ante Sicht, sondern auf die bei der jeweiligen Anforderung angegebenen und zugrunde liegenden gesundheitlichen Problematiken. Es kann keinerlei Zweifel daran bestehen, dass Vertragsärzte verpflichtet sind, Haus- und Heimbesuche auszuführen, solange nicht erwiesen ist, dass diese nicht notwendig sind. Sie sind verpflichtet, dem Patienten die aktuell nötige und keinen Aufschub duldende Hilfe zu leisten. Dazu muss der Arzt sich ein eigenes Bild machen. Ferndiagnosen sind aufgrund mündlicher Berichte nicht ausreichend, ganz abgesehen von der dahinterstehenden Haftungsproblematik. Bei der Streichung der Ziffer GOP 01415 kann die Prüfstelle sich nicht darauf berufen, dass auch bei schwerstkranken Patienten Routinebesuche nach GOP01410 abzurechnen sind. Es obliegt nicht dem Leistungserbringer, sondern der Prüfstelle, nachzuweisen, dass der Haus- oder Heimbesuch nicht notwendig war.

Haus- oder Heimbesuche werden von Pflegeeinrichtungen oder Angehörigen häufig angefordert, und sind noch umgehend am gleichen Tage auszuführen. Allein dies rechtfertigt eine Abrechnung nach GOP 01415. Für die Frequenz der Heim- und Hausbesuche gibt es weder Höchstgrenzen noch Richtwerte. Hat der Arzt die Anforderung nicht in der Hand darf er nicht durch Regresse für seine Leistung zusätzlich sanktioniert werden. Im Gegenteil - neben der hohen Arbeitsbelastung müssen die Kranversicherungen dankbar sein, wenn die Hausärzte neben der Sprechstunde noch Pflegeheime versorgen und Hausbesuche durchführen. Somit ist es nicht vertretbar, die Ziffer 01415, die ohne Ermessen des Arztes durch Bestellung des Hausbesuches veranlasst wird, ebenso zu behandeln, wie andere Ziffern, die beeinflussbar sind.

Um einen weiteren Rückgang von Haus- und Heimbesuchen vorzubeugen, ist ein Umdenken der Krankenversicherungen unumgänglich.

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